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Eingewöhnung heißt Willkommenszeit

Kommt Dein Kind auch in den Kindergarten oder in die Kita? Kommt Dein Kind zum ersten Mal in eine familienergänzende Betreuung und ist vorher ausschließlich in Eurer Familie umsorgt worden? Dies kann für Euch alle spannend, herausfordernd und viel Neues bedeuten. Eine Eingewöhnung braucht Zeit, diese sollte man immer mit einplanen.

Meist wird entweder nach dem Berliner oder dem Münchner Modell eingewöhnt. Bei beiden Modellen gibt es verschieden Phasen der Eingewöhnung.

Einer der entscheidendsten Unterschiede zwischen beiden Modellen liegt in dem Blick auf das Kind während der Eingewöhnung. Im Münchener Modell ist das Kind aktiver Treiber des Eingewöhnungsprozesses – das Kind „gewöhnt sich ein“. Im Berliner Modell wird das Kind eher als passiver Bestandteil des Prozesses gesehen – das Kind „wird eingewöhnt“. Doch ob in der Einrichtung eures Kindes nun das eine oder andere Modell für die Eingewöhnung angewandt wird ist nicht entscheidend, viel wichtiger ist die Haltung und die Herangehensweise der Betreuer*innen in der Struktur – ob sie mit viel Herz, Feinfühligkeit und Achtsamkeit im Umgang mit den Kindern arbeiten.

Eines der allerwichtigsten Dinge für Dein Kind ist Vertrauen, dies ist die Basis einer jeder guten Beziehung. Vertraust Du der neuen Bezugsperson, so kann auch Dein Kind leichter Vertrauen fassen und bindet sich viel besser an diese, Kinder spüren unglaublich gut.

Ich will es mal so erklären: Kinder lernen so oft durch Nachahmung. Sie werden geboren und haben noch keine Erfahrung mit Gefahren oder dem sozialen Zusammenleben. Wir als Bezugspersonen werden die ganze Zeit von ihnen beobachtet und nachgeahmt. So wie wir als Eltern unser Leben in Gemeinschaft vorleben, so schauen sich unsere Kinder sehr viel von uns ab. Sie bilden sich auf dieser Grundlage Urteile über ihre engen Bezugspersonen und vertrauen dabei vollkommen auf uns. Zeigen Eltern also Angst vor Insekten beispielsweise, kann es sein, dass auch das Kind Angst vor Krabbeltieren hat. Und ähnlich verhält es sich auch in der Phase der Eingewöhnung. Merken die Kinder, dass wir in einem guten Austausch und vertrauensvollen Verhältnis zu den Betreuer*innen stehen, tun auch sie sich leichter Vertrauen aufzubauen. Schließlich kann es nicht falsch sein, wenn es auch Mama oder Papa befürworten.

Großartig ist es, wenn Ihr als Eltern aktiv in die Eingewöhnung mit einbezogen werdet. Noch oft denken Eltern und Betreuer*innen jedoch, dass Eltern von Anfang an in der Ecke sitzen sollen, während das Kind „eingewöhnt wird“. Dies ist aber schwierig mit dem Bindungsbedürfnis des Kindes zu vereinbaren. Denn Kinder binden sich vor allem über ihre engsten Bindungspersonen.

Auch für Euch als Eltern ist der Besuch des Kindergartens ein völlig neuer Lebensabschnitt und auch Ihr solltet Euch behutsam an die neue Situation gewöhnen dürfen und aktiv miteinbezogen werden.

Neue Umgebung, fremde Menschen, neuer Tagesablauf.

Macht Euch bewusst, dass es viele verschiedene neue Dinge sind, die auf  Euer Kind bei der Eingewöhnung einwirken – andere Umgebung, neue Menschen, andere Tagesstruktur und z.B. auch andere Geschmäcker beim Essen.

Bei der Umgebung kann es helfen, schon einige Zeit vor der Eingewöhnung mal am Kindergarten vorbeizugehen und mit dem Kind darüber zu sprechen. Erzählt Eurem Kind von den Betreuer*innen und was es wohl den ganzen Tag machen wird. Erkundigt Euch hier am besten vorher mal.

Kinder handeln in neuen Situationen recht unterschiedlich. Manche machen bei vielem gleich mit, während andere erstmal beobachten. Alles darf sein und es gibt hier kein richtig oder falsch.

Einen Aspekt, den ich auf jeden Fall nicht vergessen möchte zu erwähnen ist der Umgang mit sensiblen Situationen. Dazu zähle ich vor allem Situationen, die den Körper des Kindes betreffen wie Wickeln oder auf die Toilette gehen, andere Kleidung anziehen, auf den Arm nehmen und auch Essen.

In diesen Situationen dürfen wir sehr behutsam mit Kindern umgehen. Und es ist sinnvoll wenn dies während der Eingewöhnung noch eine Zeit lang von Mama oder Papa (wer während der Eingewöhnung dabei ist) übernommen wird. Es kann sein, dass Kinder bereits viel in der Struktur spielen und sich bereits wohl fühlen, jedoch wenn die Windel zu wechseln ist, sie sich noch nicht von Anderen wickeln lassen möchten und das ist auch in Ordnung. Solche sensiblen Situationen brauchen eben besonders viel Feingefühl, Zeit und Vertrauen.

Ich hab da auch nochmal bei Emi Pikler reingelesen. Emi Pikler war eine ungarische Kinderärztin und eines ihrer Grundpfeiler für eine gesunde Entwicklung von Kindern ist die „beziehungsvolle Pflege“:

„Die Pflegesituation ist in den ersten Lebensmonaten eines Kindes die Zeit des intensivsten Kontaktes zwischen Betreuungsperson und Kind. Dadurch wird die Pflegesituation in diesem Zeitraum zum Ort der wirksamsten Kontakt-, Beziehungs- und Bindungserfahrungen eines Kindes. In der Pflegesituation sammelt das Kind erste Erfahrungen damit, wie befriedigend oder frustrierend seine mitmenschliche Umwelt mit ihm umgeht. Dabei erfährt es, in welchem Maße sein biologisch angelegtes Grundbedürfnis nach Bindung befriedigt wird; es entdeckt die Wirkung seiner eigenen Äußerungen, z. B. im Blickkontakt, durch Mimik oder beim Weinen und macht die intim-sinnlichen Erfahrungen des Berührt- und Getragenwerdens. Durch die Art und Weise der Berührung erhält das Kind wesentliche Botschaften über Liebe, Nähe und Achtsamkeit, die mit Worten eher schwer übermittelt werden können.“

Aus www.kita-fachtexte.de

Trennungsschmerz ist normal und darf auch sein..

Trennungsschmerz ist völlig normal, wenn Ihr Euer Kind im Kindergarten verabschiedet. Nehmt Euch daher Zeit für diese neue Morgenroutine, auch wir als Erwachsene empfinden Schmerz, wenn wir uns verabschieden. Bitte sprecht daher dem Kind seine Gefühle nicht ab, sondern nehmt sie wahr und zeigt Verständnis. Es ist gut und kann helfen, wenn Ihr später zu Hause achtsam darüber sprecht. Sagt Eurem Kind, dass auch Ihr traurig über die Trennung wart und dass Ihr Euch darauf gefreut habt, Euer Kind beim Abholen wieder in die Arme zu schließen. Dies schafft eine gute Verbindung.

Es kann bei der Eingewöhnung helfen, wenn Euer Kind etwas Gewohntes von zu Hause mitnehmen darf, bei dem es sich in unsicheren Situationen festhält. Dies kann zum Beispiel ein geliebtes Kuscheltier sein. Ist die aufregende Situation überstanden, legt Dein Kind das Kuscheltier einfach auf die Garderobe zu seinen Sachen und das Kuscheltier ist bereit für den nächsten Einsatz.

Bei länger anhaltenden Problemen:

Ist es für Euer Kind trotz langer behutsamer Eingewöhnungsphase immer noch schwer, sich den ganzen Tag von Euch zu trennen, dann redet mit den Betreuer*innen. Findet gemeinsam heraus, was dem Kind helfen könnte. Eventuell braucht es eine Pause und Ihr startet nach einiger Zeit einen neuen Versuch. Es gibt bestimmt noch andere Möglichkeiten, die sich im Gespräch ergeben können. Ihr müsst bei Problemen und Unsicherheiten nicht allein bleiben. Geht in den Austausch vor allem mit den Betreuer*innen.

Warum Kinder da nicht durch müssen!

Die Eingewöhnung sollte mit so wenig Druck wie möglich erfolgen, das ist ganz wichtig. Es soll eine schöne neue Erfahrung werden, mit der Ihr Euch alle wohl fühlt. Noch ganz wichtig zu sagen ist mir, dass Kinder da nicht „durch müssen“. Wenn Eltern mir sagen, da muss das Kind halt durch, tut mir immer das Herz weh. Da muss es halt durch lässt uns nicht über Wege nachdenken, die uns helfen, sondern es macht die Situation so unveränderbar!

Oft können wir dadurch nicht mehr sehen was uns NOCH helfen oder unterstützen könnte, damit wir alle da gemeinsam gut durch kommen. Und darauf kommt es an, dass wir in einer guten Verbindung zum Kind bleiben.

Schaut auf jeden Fall gut auf euch, ich hoffe von Herzen ihr könnt euch das ein oder andere mitnehmen. Lasst mich das sehr gerne wissen, wie es euch ergangen ist.

Birgit Zöggeler

Zertifizierte Familien- und Elternberaterin, selbst Vierfachmama und Tagesmutter, Bloggerin, Dorfkind aus Südtirol!

Birgit mit Tochter